Sprite, Cola & Mate - aber selbstgemacht!

Viele Softdrinks umgibt ein Mythos ihres ach so geheimen Rezeptes. Können wir diese Getränke dennoch daheim nachmachen und eventuell sogar neue Rezepturen erfinden? Wir machen also unsere eigene Limonade!

Dies ist eine detaillierte Textversion zu folgendem Talk:

Disclaimer

Ich bin weder Fachanwalt für Lebensmittelrecht, noch Lebensmittelchemiker, noch bin ich ein kommerzieller Limonadenhersteller. Ich bin lediglich ein Astrophysiker, der sich zufälligerweise für selbstgemachte Limonaden und Mate interessiert. Falls ihr Fragen zur Deklaration von Lebensmittelinhaltsstoffen habt oder ihr euch fragt ob ihr eure Limonaden-Kreation anschließend auf Events an Kunden verkaufen dürft, müsst ihr euch an jemand anderen wenden.

Es kann auch sein, dass sich Fehler oder Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. Wenn euch etwas derartiges auffällt, nehme ich konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge gerne entgegen.

Food Safety

Alle Zutaten, die für die Lebensmittelherstellung eingesetzt werden, sollten auch mindestens mit “Lebensmittelqualität” o.ä. Vermerken vom Hersteller gekennzeichnet sein. Wenn ihr z.B. ein Cola-Rezept mit Phosphorsäure ausprobiert, so müsst ihr Phosphorsäure in Lebensmittelqualität auftreiben. Besonders erwähnenswert ist Gummi Arabicum, dass sich z.B. in den Rezepten von OpenCola und CubeCola findet. Da Gummi Arabicum aber nicht nur für Lebensmittel, sondern auch z.B. bei der technischen Herstellung von Farben benutzt wird, besteht hier eine erhöhte Gefahr dieses nur in einer “technischen” Qualität mit größeren Verunreinigungen zu beziehen, die zur Lebensmittelzubereitung nicht geeignet ist. Auch bei ätherischen Ölen müsst ihr hierauf achten. Das einfache Aroma-Duftöl zur Raumbeduftung aus der Drogerie ist hier üblicherweise ungeeignet. Besorgt euch ätherische Öle, die explizit als 100% naturrein deklariert sind bzw. vom Hersteller direkt zur Verwendung in Lebensmitteln beschrieben sind.

Achtung: Ätherische Öle sind sehr leicht entflammbar und gelten als Gefahrstoffe. Haltet sie von Zündquellen fern. Darüber hinaus enthalten ätherische Öle die Aromastoffe in einer derart massiv konzentrierter Form, wie sie in der Natur niemals auftreten würden (ca. 20.000fach stärker als in Natur). In ihrer Reinform sind viele Ätherische Öle daher auch hautreizend, ätzend oder anderweitig gesundheitsschädlich. Negative Erfahrungen habe ich hier insb. mit Cassiazimtöl in den Cola-Rezepturen gemacht. Kommen kleine Tropfen auf die Haut, entsteht ein leicht brennendes Gefühl, ähnlich wie Chili. Die Benutzung von Laborhandschuhen bei derartigen Ölen ist also definitiv angesagt. In Getränken sind die ätherischen Öle zur Aromatisierung bis auf 50ppm (parts per million, also auf wenige Millionstel) verdünnt. Dies wird üblicherweise durch eine mehrstufige, schrittweise Verdünnung im Herstellungsprozess erreicht (Öl -> Essenz -> Sirup -> Getränk).

Je nachdem, wie euer Umfeld aussieht, müsst ihr Vorkehrungen treffen, dass ihr nicht versehentlich Laborglas, dass z.B. aus einem Chemielabor stammt, zur Lebensmittelproduktion einsetzt (bei mir daheim ist das z.B. relevant). Markiert Glaswaren, die exklusiv für Lebensmittel reserviert bleiben müssen, eindeutig. Kleine Restmengen von giftigen Chemikalien könnten sonst evtl. in eure Produkte gelangen. Benutzt daher nur Glaswaren, die noch lebensmittelecht sind, d.h. zuvor nie mit giftigen Chemikalien etc. in Berührung gekommen sind.

Wenn ihr mit neuen Inhaltsstoffen arbeitet, um neue Geschmacksrichtungen oder Rezepte zu entwickeln, müsst ihr ein klein wenig Recherche betreiben, ob etwas zu diesem Inhaltsstoff bekannt ist. Ein erster Anhaltspunkt kann hier die GRAS-Liste der amerikanischen FDA sein. (https://www.femaflavor.org/sites/default/files/3.%20GRAS%20Substances(2001-3124)_0.pdf oder https://www.fda.gov/food/generally-recognized-safe-gras/gras-substances-scogs-database)

Hier sind viele Inhaltstoffe gelistet die in den USA als “Generally Recognised As Safe” (GRAS) gelten. Auf europäischer Seite existieren ebenfalls amtliche Datenbanken der EU, welche Informationen über zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe sammeln. Beispielsweise https://webgate.ec.europa.eu/foods_system/main/?sector=FAD&auth=SANCAS oder die OpenFoodTox-Datenbank der EFSA (European Food Safety Authority). https://www.efsa.europa.eu/en/data-report/chemical-hazards-database-openfoodtox

Selbstgekochte Sprite

Wir beginnen mit einem sehr einfachen Sirup-Rezept für eine Zitronen-Limetten-Limonade. Diese eignet sich für erste Versuche sehr gut, da es (neben Zucker und Säure) nur zwei Aromastoffe enthält: Limette & Zitrone. Gleichzeitig lassen sich hier die auftretenden Schwierigkeiten der Sirupherstellung illustrieren. Als Parameter bleiben in diesem Rezept nur die Balance zwischen Limette und Zitrone, sowie die Gesamtstärke des Aromas.

Die Aromastoffe sind üblicherweise in der Schale der Früchte enthalten, weshalb wir mit geriebener Zitronen- und Limettenschale arbeiten. Wer schon einmal mit einem Menschen in einem Raum saß, der eine Mandarine geschält hat, weiß, wie schnell sich die Aromastoffe aus der Schale verbreiten und wie intensiv diese sein können.

Hier nun ein erstes Rezept: (modifiziert nach https://youtu.be/fZb_7JgcsSU?t=218)

  1. 300ml Wasser in einem Kochtopf erwärmen.
  2. 400g Zucker darin vollständig auflösen
  3. drei geriebene Limettenschalen hinzufügen und
  4. zwei geriebene Zitronenschalen hinzufügen und alles verrühren
  5. 7.5g Zitronensäure im Sirup auflösen
  6. ca. 15min ziehen lassen und anschließend über ein Sieb und Trichter in ein Gefäß geben.

Fertig ist der Sirup, der im Verhältnis 1+7 mit Sprudelwasser verdünnt werden kann. (1 Teil Sirup + 7 Teile Sprudelwasser)

Da in der geriebenen Schale keine Säure enthalten ist, müssen wir diese explizit hinzugeben. Ich verwende direkt pulverförmige Zitronensäure aus dem Supermarkt, es könnte aber auch mit Zitronensaft gesäuert werden. Zitronensaft enthält etwa 4.5% Zitronensäure, weshalb theoretisch auch 166ml Zitronensaft statt der 7.5g Säure genommen werden können. Die 166ml Flüssigkeit des Saftes müssen dann natürlich von der ansonsten verwendeten Menge Wasser abgezogen werden.

Dieses Rezept zeigt allerdings auch einige Schwächen der Sirup-Herstellung auf:

  1. Sie ist zeitaufwändig. Es müssen 5 Zitrusfruchtschalen gerieben werden, um etwa 500ml Sirup zu erhalten. Das dauert.
  2. Sie ist ineffizient. In den Schalenresten sind noch haufenweise Restaromen enthalten, die wir nicht in den Sirup überführen konnten.
  3. Sie ist inkonsistent. Je nach verwendeter Größe, Reifegrad, Ursprung oder Varietät der Früchte haben diese unterschiedliche Mengen an Aromastoffen in der Schale. Der entstehende Sirup variiert stark.

Diese Probleme können allerdings umgangen werden, indem statt mit geriebener Schale direkt mit ätherischen Ölen aus den Zitrusschalen gearbeitet wird. Die Aromastoffe in der Schale sind in einem Öl als Trägerstoff enthalten. Dies ist das ätherische Öl, das z.B. durch Kaltpressung oder Wasserdampfdestillation gewonnen und direkt von Herstellern bezogen werden kann. Insb. bei Zitrusfrüchten wird dieses Öl in großen Mengen aus den bei der Saftproduktion anfallenden Schalen gewonnen. Da es sich quasi um ein Abfallprodukt handelt, sind die Preise für ätherische Öle aus Zitrusfrüchten verhältnismäßig billig. Marktübliche Preise liegen bei ca. 30€/Liter für Orangenöl, 40€/L für Zitronenöl oder 100€/Liter für Limettenöl.

Cola mit Gummi Arabicum als Emulgator

Ätherische Öle als Aromabasis ist die Grundlage von sehr vielen frei verfügbaren Limonaden-Rezepturen. Beispielhaft seien nun zunächst die folgenden Cola-Rezepturen genannt:

Gemeinsam ist allen Rezepten, dass sie eine Aroma-Mischung aus ätherischen Ölen ansetzen und diese mit einem Emulgator (Gummi Arabicum Pulver) in eine Emulsion überführen. Diese Aroma-Emulsion wird anschließend zu einem Konzentrat verarbeitet, das in weiterer Verdünnung mit Zuckerwasser direkt zu einem Sirup wird.

Die Aromazusammensetzung bei Colas ist üblicherweise sehr komplex und enthält viele Inhaltsstoffe. Meistens sind sie Orangen- oder Zitrus-basiert und durch viele Gewürze ausbalanciert, bis die Orange/Zitrusnote kaum noch direkt wahrgenommen wird. Auf dem Etikett von Club-Mate Cola sind beispielsweise explizit aufgelistet:

Ceylonzimt, Bergamotte, Kardamom, Ingwer, Orangenblüten, Vanille, Koriander, Limette, Cassiazimt, Bitterpomeranze (d.h. Neroli), Nelke, Zittwerwurzel, Lavendel, Johannisbrot, Ysopkraut, Veilchenwurzel, Muskatnuss

Ich beschränke mich im Folgenden auf die Aromamischung von Glenn’s Cooking, da diese am ehesten meine geschmackliche Präferenz traf. Sie schmeckt eher wie eine Spezi/MezzoMix. Hierin sind diese ätherischen Öle zusammen in einer Mischung eingesetzt:

Alle für das Cola-Rezept benötigte Öle nebeneinander

Dieses Öl wird nun in einen hohen Behälter mit 40ml Wasser gegeben. Die Öle und Wasser werden sich naturgemäß nicht vermischen lassen, bis im nächsten Schritt ein Emulgator hinzugefügt wird. Die Öl-Wasser-Mischung muss daher unter möglichst gewaltsamen schnellen Rühren mit Schneebesen (idealerweise per Akkuschrauber (1200 RPM) oder Standbohrmaschine (bis 4000 RPM)) gerührt werden, während langsam 20g Gummi Arabicum als Pulver hinzugegeben wird. Wenn alles Pulver hinzugefügt ist, einfach noch 15min weiter Rühren lassen. Es entsteht eine recht dickflüssige Emulsion, die noch nicht ganz an die Konsistenz von Mayonnaise heranreicht. Es kann sein, dass die 20g Gummi Arabicum noch nicht ausreichen und mehr hiervon hinzugegeben werden muss, bis sich Öl und Wasser zur Emulsion verbunden haben.

Handbohr-Rührmaschine

Standbohr-Rührmaschine

Detail des Rühraufbaus

Die fertige Emulsion

Auf keinen Fall darf zuerst das Gummi Arabicum trocken in den Behälter gelangen und dann erst Öl zugegeben werden. Das Gummi wird einfach verklumpen und sich nicht rühren lassen. (siehe z.B. https://youtu.be/9JOjyfDn5x8?t=125)

Ein deutlicher Nachteil dieser Aroma-Emulsion ist, dass sie anscheinend nicht langzeitstabil ist. Spätestens nach einigen Tagen bis Wochen werden sich Öle wieder absetzen und die Emulsion ist hinfällig. Für Privatpersonen, die nicht hektoliterweise Getränke an einem Abend konsumieren ist dies ein gravierender Nachteil.

Die Emulsion fällt nach kurzer Zeit wieder auseinander

Die Aroma-Emulsion wird nun zu einem Konzentrat verarbeitet. Hier weiche ich von Glenn’s Rezept etwas ab: Ich füge das Zuckercoleur, also den schwarzen Farbstoff, erst am Ende hinzu, um eine bessere Kontrolle über Farbe zu haben. Außerdem hängt die Stärke der Farbe extrem vom Hersteller ab, sodass die 200ml Zuckercoleur im originalen Rezept bei ihm kaum eine konstante Farbe bei mir gewährleisten.

In einem Behälter werden daher 65g Zitronensäure in 300ml Wasser aufgelöst. Die Aroma-Emulsion von zuvor wird dann hier eingerührt. Glenn fügt an dieser Stelle auch Vanilleextrakt hinzu, was ich allerdings nicht mache. Mir passt es ohne Vanille besser in meinen Geschmack. Wir haben nun ein fertiges Cola-Konzentrat mit Säure. Auch dieses Konzentrat ist nicht langzeitstabil und auch hier werden sich mit der Zeit wieder Öle absetzen. Die Flasche sollte also zumindest regelmäßig gut geschüttelt werden.

Für den fertigen Sirup setzen wir nun 800ml Wasser in einem Topf an, in dem 1400g Zucker aufgelost werden. Es ist also ein sog. “3:2-Simple-Syrup”. Der Sirup wird mit ca. 40ml des obigen Cola-Konzentrates aromatisiert. Erst an dieser Stelle füge ich nun Zuckercoleur in ausreichender Menge hinzu. Der Sirup sollte so gerade tiefschwarz von der Farbe sein. Ich teste immer direkt eine kleine Menge des Sirups direkt mit Sprudelwasser, ob sich die gewünschte Farbe im fertigen Getränk eingestellt hat. Wenn sie noch zu hell ist, wird entsprechend Zuckercoleur weiter hinzugefügt. Üblicherweise sind wenige Milliliter Zuckercoleur hier völlig ausreichend.

Der fertige Sirup kann dann wieder im Verhältnis 1+7 mit Sprudelwasser verdünnt werden um ein fertiges Cola-Getränk zu erhalten.

Mein Fazit zu dieser Methodik fällt durchwachsen aus:

Warum macht das jemand? Mir fällt hier nicht viel ein. Insbesondere, wenn ich gleich im nächsten Abschnitt eine alternative Methode vorstelle, die anwendungsfreundlicher ist, lagerfähige Aromamischungen erzeugt und einfacher zu handeln ist.

Alkoholische Aromaessenzen

Das vorherige Verfahren mit Gummi Arabicum basiert darauf, dass die ätherischen Öle direkt durch das Verdünnen der Emulsion in die Getränke überführt werden. Die Überführung der Aromastoffe (die sog. Solvate) in das Getränk lässt sich aber auch erreichen, indem die Aromastoffe aus dem Öl als Trägerstoff herausgelöst werden und in einen anderen Träger überführt werden, der dann wasserlöslich ist. Den Aromastoffen muss also ein alternativer Träger bzw. ein alternatives Lösungsmittel angeboten werden, in das sie bevorzugt übergehen können.

Ein Lösungsmittel, dass sich hier anbietet ist Ethanol. Es ist in großen Mengen in Lebensmittelqualität und geschmacksneutral beziehbar. Die gängigste Form hierfür stellt Wodka dar, der mit ca. 40 Vol.-% praktisch weltweit erhältlich ist. Um die Aromaextraktion zu verbessern, ist es auch möglich weitere Träger einzusetzen. Gängig ist hier beispielsweise Propylenglykol als Aromaträger (in der EU hierfür zugelassen als E1520). (Nicht mit Ethylenglykol verwechseln! Dieses ist giftig.) Wer eine “Dampfe” zum vapen besitzt, kennt dieses Aromaverfahren bereits, denn hier wird ebenfalls Propylenglykol als Träger eingesetzt.

Die Extraktion der Aromen aus ätherischen Ölen lässt sich nun also vernünftig standardisieren:

  1. 10ml der ätherischen Öle (einzeln oder direkt als fertige Mischung) werden in einen Scheidetrichter gegeben
  2. Es werden 70ml Wodka (40 Vol.-%) und 30ml Propylenglykol hinzugegeben.
  3. Der Scheidetrichter wird verschlossen und kräftig geschüttelt. Im Laufe der nächsten Stunde wird dieses kräftige Schütteln alle paar Minuten wiederholt.
  4. Der Scheidetrichter wird 2 bis 3 Tage stehen gelassen. Es setzt sich an der Oberfläche etwas schaumiges Öl ab und die untere Phase klart langsam auf.
  5. Die untere, wässrige/alkoholische Phase wird mit dem Absperrhahn vorsichtig in ein Gefäß zur Aufbewahrung abgelassen.
  6. Die zurückgebliebene, ölige Phase wird verworfen.

Dieses Verfahren wird im Labor auch als Flüssig-Flüssig-Extraktion bezeichnet (oder engl. “LLE” für liquid-liquid-extraction). Im Laborjargon nennt man es umgangssprachlich auch einfach “Ausschütteln”. Die mathematische Beschreibung der Umverteilung des Solvats wird durch das Nernstsche Verteilungsgesetz beschrieben.

Die so gewonnene Flüssigkeit wird (im Aromatisierungskontext) einheitlich in jeder mir bekannten Quelle als Essenz bezeichnet. Sie wird anschließend zur Aromatisierung von Sirup verwendet. Als Aufbewahrungsgefäß für fertige Essenzen benutze ich meistens Tropfflaschen mit integrierter Pipette. Wenn die Pipette auch noch eine Skala hat, lässt sich so auch direkt die korrekte benutzte Menge der Essenz später fürs Rezept pipettieren.

Praktische Pipettenflaschen zur Aufbewahrung von Essenzen und Extrakten. Die Pipette hat eine Graduierung in 250µl-Schritten.

Der befüllte Scheidetrichter zur Essenz-Herstellung

Detail der Öl-Lösungsmittel-Trennschicht

Scheidetrichter nach dem Schütteln

Der Scheidetrichter ist nach 2 Tagen bereits merklich aufgeklart und die ölige Phase setzt sich wieder ab. Die untere Phase ist bereit zur Abfüllung und Verwendung.

Diese Methodik bietet mehrere Vorteile, die für mich ausreichend sind, um die frühere Methodik per Gummi Arabicum komplett aufzugeben:

Die Nachteile sollten allerdings auch erwähnt werden:

Für mich wiegen die Vorteile wie bereits gesagt alle Nachteile auf.

Die so gewonnenen Essenzen werden im nächsten Schritt verwendet, um neutralen Zuckersirup zu aromatisieren. Üblicherweise benutze ich immer “1:1-Simple-Syrup” als Basis. D.h. ich löse 700g Zucker in 700ml Wasser auf. Hierbei entsteht ca. ein Liter Zuckersirup.

Faustregeln:

  1. Zu 1 Liter Zuckersirup werden ca. 20ml Essenz für die Aromatisierung gegeben.
  2. Zur Ansäuerung werden noch ca. 16g Zitronensäure im Sirup aufgelöst.
  3. Wenn das Getränk gefärbt sein soll, kann auch Lebensmittelfarbe hinzugegeben werden.

Der Sirup kann anschließend wieder in 1+7-Verdünnung für ein fertiges Getränk benutzt werden.

Anmerkung: Ein 1:1-Simple-Syrup mit 700g Zucker in 1 Liter Sirup ergibt in 1+7 Verdünnung ein Getränk mit 8.75g Zucker pro 100ml. Dies ist knapp unter dem Zuckergehalt von kommerzieller Cola oder Sprite (ca. 9 bis 11 g Zucker pro 100ml Getränk).

Natürlich kann auch eine stärkere oder schwächere Aromatisierung gewählt werden oder der Säuregehalt angepasst werden. Prinzipiell lassen sich auch andere Säuren verwenden (z.B. Phosphorsäure für Cola, Weinsäure oder Apfelsäure).

Dieses Verfahren lässt sich nun einheitlich für beliebige Rezepturen mit ätherischen Ölen nutzen. Möchte ich Cola-Sirup haben, dann gebe ich 10ml der oben gelisteten Öl-Mischung in den Scheidetrichter. Für Sprite-Sirup nehme ich eine Mischung aus

Oder was auch immer ich gerade herstellen möchte. Spätestens an dieser Stelle beginnt nun aber der kreative Part, bei dem auch neue Rezepturen ausgedacht werden können. Denn nun ist die Grundlage gelegt, um aus praktisch jedem verfügbaren ätherischen Öl eine Aromatisierung für Limonade zu erzeugen.

Das allgemeine Vorgehen zur Formulierung eigener Rezepturen inkl. einiger Berechnungen, zeigt Darcy O’Neil beispielsweise in diesem Video: https://youtu.be/FSL6pVrV8Pw

Hinweis: Für manche Inhaltsstoffe von ätherischen Ölen existieren lebensmittelrechtliche Grenzwerte die eingehalten werden sollten. Daher vorher in der GRAS-Liste oder EFSA-Datenbank recherchieren. Insbesondere wenn man exotische bzw. sehr ungewöhnliche Aromen im Getränk haben möchte.

Extrakte per Perkolation

Mit der Methodik im vorherigen Abschnitt sind praktisch alle ätherischen Öle für eine Aromatisierung von Limonaden zugänglich. Es fehlt noch eine Methode, um auch Kräuter oder Tee als Ausgangsstoff zu erschließen. Dies ist beispielsweise für Mate-Eistee relevant. Dieser Abschnitt wird daher am Beispiel von Yerba Mate geschrieben, die Methodik kann aber auch auf andere Kräuter übertragen werden. Yerba Mate ist ein Tee, der aus fermentierten und getrockneten Blättern des Ilex paraguariensis, einer Stechpalmenart aus Südamerika, gewonnen wird. Von mir wurde bislang verwendet: Yerba Mate Elaborado aus Paraguay der Marke “Pajarito, Lauro Raatz”.

Verpackung des Ausgangsmaterials

Das Ausgangsmaterial

Das hier beschriebene Verfahren ist eine sog. “Perkolationsextraktion”, die bereits vor mehr als 100 Jahren in der Pharmazie angewendet wurde, um pflanzliche Inhaltsstoffe zu extrahieren. Der Name “Perkolation” (lat “durchsickern”) bezieht sich hier auf das langsame abfließen des fertigen Extraktes zum Schluss. Auch für dieses Verfahren wird wieder ein Scheidetrichter und Wodka benutzt werden.

Ein Batch mit meinen 250ml-Scheidetrichtern startet mit ca. 125g Yerba Mate. Zunächst muss das Ausgangsmaterial aber aufbereitet werden.

Der Yerba Mate wird zunächst mit einem Standmixwer für ein paar Sekunden zerkleinert. Dabei werden alle Bestandteile der Blätter zerkleinert, die harten Bestandteile von den im Tee enthaltenen Stängeln bleiben i.d.R. aber unversehrt und werden nicht zerkleinert. D.h. anschließend können diese mit einem Küchensieb herausgefiltert werden. Die Stängel besitzen üblicherweise einen sehr bitteren Geschmack und werden verworfen. Hiernach sollten ca. 100g fein zerkleinerter Mate übrig bleiben. Die zerkleinerte Mate sollte eine Körnigkeit wie etwa gröberes Kaffeepulver haben.

Die ausgesiebten Stängel und grobes Material

Das weiter verwendete, feine Mate-Pulver

Um das Material für die kommende Extraktion vorzubereiten, wird die Mate mit ca. 100ml Wodka befeuchtet. Der Wodka wird gleichmäßig in die Mate eingerührt und anschließend der Behälter verschlossen. Die Mate hat nun eine Konsistenz, die etwa feuchtem Sand entspricht. Nun sind vier Stunden Ruhezeit nötig, in der die Mate aufquillt und das Zellmaterial erste Inhaltsstoffe freisetzt. Diese Ruhezeit ist essentiell und darf nicht übersprungen werden.

Das angefeuchtete Mate-Pulver

Während dieser Wartezeit kann bereits der Scheidetrichter vorbereitet werden. Da feiner Mate hier eingefüllt wird, dieser den Absperrhahn unten aber nicht verstopfen darf, wird die untere Verengung des Scheidetrichters mit etwas Baumwollwatte gestopft. Dies stellt einen Filter dar, der später alle gröberen Partikel zurückhält. Die Watte wird mit etwas gewaschenen feinen Quarzsand beschwert, sodass beim späteren Einfüllen von Mate und mehr Wodka nichts aufschwimmt.

Für Perkolation vorbereiteter Scheidetrichter

Nach Ablauf der 4 Stunden Ruhezeit wird die aufgequollene Mate in den Scheidetrichter gefüllt und zwischendurch mit einer Stange o.ä. etwas verdichtet, um Lufteinschlüsse und Blasen zu vermeiden. Oben auf die fertig eingefüllte Mate wird wieder etwas Sand zur Beschwerung gegeben um ein Aufschwimmen von Mate zu verhindern. Der gesamte Scheidetrichter wird nun mit Wodka gefüllt, bis die gesamte Mate bedeckt ist. Meistens benötige ich hier noch einmal ca. 200ml. Hierzu muss der Absperrhahn unten geöffnet werden, um ein gleichmäßiges Durchsickern des Wodkas zu ermöglichen. Sobald der Scheidetrichter gefüllt ist, wird der Absperrhahn geschlossen und der Scheidetrichter oben mit einem Stopfen verschlossen. Dieser Aufbau ruht nun mindestens 2 Tage lang und die Extraktion läuft.

Der befüllte Scheidetrichter

Nach Ablauf der 2 Tage Ruhezeit hat sich üblicherweise ein tiefroter bis fast schwarzer Farbton im Extrakt gebildet. Dieser kann nun langsam in einen Behälter abgelassen werden. Hierbei sollte der Absperrhahn nur so weit geöffnet werden, dass der Extrakt mit ca. 1 Tropfen pro Sekunde abläuft. Da im unteren Bereich des Scheidetrichters bereits ein Watte-Filter vorab eingebaut war, ist der erhaltene Extrakt meist sehr klar und frei von Schwebstoffen. Üblicherweise erhalte ich in einem Batch ca. 130ml Extrakt.

Nach zwei Tagen ist der Extrakt als tiefrote Flüssigkeit erkennbar.

Die gewonnene tiefschwarze Flüssigkeit wird als Mate-Extrakt bezeichnet und besitzt einen extrem bitteren Geschmack und einen erdigen Geruch. Im Licht gegen eine Lampe erscheint der Mate-Extrakt in einer Küvette tiefrot bis braun.

Ein Erlenmeyer-Kolben voll mit Mate-Extrakt

Der Extrakt in einer Küvette im Gegenlicht

Eine gute Zusammenfassung bzw. eine Übersicht zum allgemeinen Extraktionsprozess durch Perkolation gibt es im YouTube-Kanal von Darcy O’Neil: https://www.youtube.com/watch?v=EvkbCkg9bPs

Bestimmung der Extrakt-Konzentration durch Dichtemessung

Wie stark der Extrakt ist, lässt sich sehr einfach über die Messung der Dichte des Extraktes (in g/cm³) bestimmen. Zu Beginn wird Wodka verwendet, der bei 40 Vol.-% eine Dichte von 0.937g/cm³ besitzt. Nach Abschluss der Extraktion erreichte mein Extrakt i.d.R. eine Dichte von ca. 1.021 g/cm³. Die Differenz der Dichten sind die aus der Yerba Mate ausgelösten Stoffe. Hier hat der Extrakt also eine Konzentration von 84mg/ml. Die Dichte lässt sich sehr einfach und günstig mit Dichtemessern (sog. Aräometern, Hydrometern) bestimmen, die für Meerwasseraquarien verwendet werden. Meerwasser in Meerwasseraquarien hat ebenfalls eine Dichte von ca. 1.025g/cm³. Qualitativ gute Messgeräte sind also in großer Stückzahl günstig verfügbar. Für noch genauere Messungen kann auch ein Pyknometer eingesetzt werden. Die zusätzliche Genauigkeit auf bis zu 6 Nachkommastellen ist aber in der Praxis nicht relevant.

Ein Aräometer misst die Dichte des Extrakts

Aräometer sind günstige und gängige Messgeräte für Dichte

Ein mit Mate-Extrakt befülltes Pyknometer auf einer Analysenwaage

Spektralphotometrische Analyse

Es ist auch möglich die Konzentration des Extraktes spektralphotometrisch mit einem UV-VIS-Spektralphotometer zu bestimmen. Dies ist aber deutlich aufwändiger bei wenig zusätzlichem Informationsgewinn. Das Spektrum zeigt einen Peak bei ca. 666nm und ein breites Tal bei ca. 960nm. Das Tal bezeichne ich als “Vodka-Valley”, da es durch die Verwendung von Wodka als Lösungsmittel entsteht: Das Photometer wurde mit dest. Wasser kalibriert, was ein Absorptionsband in diesem Bereich hat. Wenn das Lösungsmittel nun anteilig weniger Wasser und mehr Ethanol - was keine Absorption hier besitzt - enthält, kommt in diesem Spektralbereich entsprechend mehr Licht hindurch. Die Absorbance nimmt ab. Wird Wodka als Kalibrationsflüssigkeit verwendet, verschwindet das Vodka-Valley. Den Peak bei 666nm nenne ich den “Mate-Peak”. Gemäß dem Lambert-Beerschen-Absorptionsgesetz kann an diesem die Konzentration des Extraktes überprüft werden. Um dies durchzuführen ist noch eine Verdünnungsreihe des Extraktes zur Bestimmung des spektralen Absorptionskoeffizienten notwendig. In der Praxis hat sich bei mir jedoch die Messung der Dichte gegenüber der spektralphotometrischen Analyse durchgesetzt, da sie einfacher und schneller durchführbar ist. Desweiteren sind UV-VIS-Spektralphotometer nicht besonders oft in privaten Haushalten anzutreffen.

Das Transmissions-Spektrum des fertigen Mate-Extrakts

Das Photometer im Einsatz, ein Shimadzu UV-1280

Der Mate-Peak

Das Vodka-Valley

Allgemeine Verwendbarkeit

Interessant an diesem Extrakt ist, dass er nun zur allgemeinen Aromatisierung von Lebensmitteln eingesetzt werden kann. Allen voran ist dies natürlich die Herstellung von Mate-Eistee. Er kann aber natürlich auch in beliebigen anderen Rezepten und Nahrungsmitteln verwendet werden. Bislang musste hierzu in Rezepten das Wasser durch Mate-Eistee ersetzt werden. Wenn das Rezept aber kein Wasser enthielt, ließ sich dieses auch nicht durch Mate-Eistee substituieren oder wurde notwendigerweise aufgrund der zusätzlichen Flüssigkeit verwässert. Mit dem Mate-Extrakt sind nun also auch Mate-Variationen von Rezepten möglich, die nicht auf Wasser basieren. (Mate-Rührei? Mate-Quark? Mate-Pudding? Mate-Brownies? Ach, Werdet einfach selber kreativ…)

4ml Extrakt entsprechen etwa der Aroma-Menge, die in 1 Liter Mate-Eistee enthalten ist. Siehe hierzu auch den folgenden Abschnitt.

OpenMate 1.0

Mit dem zuvor hergestellten Mate-Extrakt kann ein Mate-Eistee hergestellt werden. Hierzu brauchen wir nur ein paar Angaben von kommerziellen Getränken um uns zu orientieren.

Zuckergehalt Der Zuckergehalt von Getränken ist üblicherweise exakt deklariert. Gängige Mate-Getränke haben im Mittel ca. 5.4g/100ml. Um einen 1+7-Sirup anzumischen, muss der Sirup also 8*54g/1L = 432g Zucker pro Liter Sirup enthalten.

Säure Mate wird durch Zitronensäure gesäuert. Die exakte Menge ist nicht deklariert, kann aber mit sehr einfachen chemischen Mitteln per Titration bestimmt werden. (Titration von Mate ohne Kohlensäure (d.h. nur noch Zitronensäure) gegen 0.1M NaOH mit Phenolphtalein als Indikator mit violett-rotem Umschlag). Gängige Mate enthält nach einer kurzen Versuchsreihe demnach ca. 2g Zitronensäure pro Liter. Bei einem 1+7-Sirup bedeutet dies also 8*2g = 16g Säure pro Liter Sirup.

Titration vor Umschlag

Titration während Farbumschlag

Titration nach Farbumschlag

Mate-Gehalt Zuletzt muss der Gehalt an Mate-Extrakt festgelegt werden. Gängige Mate gibt einen Gehalt von rund 0.4% Mate-Extrakt an, d.h. in einem 1+7-Sirup braucht es 8*0.4%=3.2% Mate-Extrakt. Auf 1 Liter Sirup also 32ml Extrakt.

Die Zutaten müssen nun nur noch im korrekten Verhältnbis vermischt werden. Zunächst werden also in einem Kochtopf unter leichtem Erwärmen in zunächst 500ml Wasser aufgelöst:

Farbe Mate ist üblicherweise (genau wie Cola) mit Zuckercoleur (E150c oder E150d) eingefärbt. Zuckercoleur wird also langsam und vorsichtig unter Rühren hinzugefügt, bis eine ausreichend dunkelbraune Farbe erreicht wird. Auch hier gilt wieder, dass die hinzuzufügende Menge extrem vom Fabrikat abhängig ist und individuell erprobt werden muss.

Koffein Dem Sirup kann bei Bedarf künstlich Koffein zugesetzt werden. Es empfiehlt sich aufgrund der psychoaktiven Eigenschaften die Menge grundsätzlich mit einer ausreichend genauen Laborwaage abzuwägen (wir reden von Milligramm!). Koffein besitzt einen extrem bitteren Geschmack und sollte nur sehr vorsichtig dosiert werden. Der originale Koffeingehalt des Extraktes ist bislang noch nicht gemessen worden. Der Koffeingehalt des fertigen Getränkes nach dieser Rezeptur scheint aber sehr gering zu sein. Eine tägliche Koffeinzufuhr von ca. 300-400 Milligramm gilt laut EFSA als unbedenklich. Ab einem Konsum von 1 Gramm können bereits Symptome einer Überdosis in Erscheinung treten und medizinische Behandlung nötig sein. Die letale Dosis für einen erwachsenen Menschen beginnt ab ca. 5 Gramm. Für Koffein besteht (wie für psychoaktive Drogen üblich) ein Sucht- und Abhängigkeitspotenzial.

Anschließend wird der Sirup in einen Messbecher überführt und das Volumen mit etwas zusätzlichem Wasser auf exakt 1 Liter aufgefüllt. Ab nun besitzt der Sirup auch die korrekten, zuvor berechneten Konzentrationen an Zucker, Säure und Mate.

Der Sirup wird dann mit Sprudelwasser im Verhältnis 1+7 verdünnt um das fertige Getränk zu erhalten. Hierbei ist zu beachten, dass der Sirup stark schäumt und Sprudelwasser entsprechend vorsichtig hinzugegeben werden muss.

Die fertige OpenMate im Glas

Alkoholgehalt

Die zuvor beschriebene OpenMate besitzt nach diesem Rezept einen Alkoholgehalt von rechnerisch ca. 0.16 Vol.-%. Getränke unterhalb von 0.5 Vol.-% dürfen in Deutschland als “alkoholfrei” bezeichnet werden. Erst ab 1.2 Vol.-% besteht Deklarationspflicht gemäß EU-Verordnung 1169/2011.

Kosten des Mate-Getränks

Da alle Zutaten mit bekannten Kosten verwendet wurden, lässt sich der Materialpreis von OpenMate exakt angeben.

OpenMate kostet in meiner Herstellung ca. 40 Cent/Liter (Verbrauchsmaterial). Stärkster Kostenfaktor ist hierbei die Bereitstellung von Sprudelwasser und der zur Extraktion benötigte Wodka. Darauf folgen Kosten von Zucker und Yerba Mate.

Exemplarische Aufstellung der Kosten aus einen Batch mit 130ml Mate-Extrakt, der 4 Liter Sirup oder 32 Liter fertiges Getränk ergibt:

  Preis pro Einheit Menge Gesamtpreis
Wodka (40%ig) 7.59€ pro 700 ml 300ml 3.25€
Zucker 1.49€ pro 1 kg 1720 g 2.56€
Yerba Mate Tee 13.84€ pro 1 kg 125 g 1.73€
Zitronensäure 14.95€ pro 1 kg 64 g 0.96€
Zuckercoleur 13€ pro 1 L 8 ml 0.10€
Koffein 5.99€ pro 100 g 400 mg 0.02€
Leitungswasser 4.26€ pro 1000 L ca. 2.4 L 0.01€
Sprudelwasser 0.15€ pro 1 L 28 L 4.20€
Sand und Watte     < 0.01€
Summe Sirup 2.16€ pro 1 L 4 Liter 8.63€
Summe Getränk 0.40€ pro 1 L 32 Liter 12.83€

Kostenaufteilung der 40 Cent/Liter des fertigen Getränkes:

Kostenaufteilung der 2.16€/Liter des Sirups:

Bei meinen Extraktionen entstanden ca. 130ml Mate-Extrakt pro Batch. Wenn die Materialkosten hierfür zusammengerechnet werden (Mate + Wodka), liegt der Rohpreis für Mate-Extrakt dann bei ca. 38.30€ pro Liter Extrakt.

Vergleich mit anderen Mate-Getränken

Um OpenMate mit einigen kommerziellen Mate-Getränken zu vergleichen, habe ich diverse Messungen im Labor durchgeführt. Hierzu muss das Mate-Getränk vorher aber von Kohlensäure befreit werden, da diese zusätzliche Säure die Messungen verfälschen und durch Blasenbildung behindern würde. Hierzu genügt es die Mate kurz unter starkem Rühren bis kurz vor den Siedepunkt zu erhitzen. Anschließend ist praktisch sämtliche Kohlensäure ausgeperlt und die Messungen können beginnen.

  Club-Mate Mio Mio Mate Original LaMate (REWE) DIY OpenMate
Zucker (deklariert) 5.0 g/100 ml 5.7 g/100 ml 5.0 g/100 ml 5.4 g/L
Zucker (gemessen Refraktometer) 5.4°Brix 6.0°Brix 5.2°Brix 4.9°Brix
Kalorien (deklariert) 84 kJ/100 ml 102 kJ/100 ml 89 kJ/100 ml 90 kJ/100 ml (calc.)
Säuerungsmittel Zitronensäure Zitronensäure Zitronensäure Zitronensäure
Säureregulator keiner keiner keiner keiner
pH (ohne H2CO3!) 3.23 3.69 3.04 3.41
Säuregehalt (per Titration) 2.43 g/L 2.24 g/L 2.31 g/L 2.0 g/L (calc.)
Mate-Extrakt 0.4% 0.5% 0.14% 0.4%
el. Leitfähigkeit 684 µS/cm 2250 µS/cm 640 µS/cm 746 µS/cm
Dichte 1.020 g/cm³ 1.022 g/cm³ 1.019 g/cm³ 1.021 g/cm³
Koffein (deklariert) 20 mg/cm³ 20 mg/100ml 22 mg/100 ml nicht gemessen
Absorbance (666nm, 1cm OD) 0.0201 0.0249 0.0574 nicht gemessen
deklarierter Farbstoff “karamellisierter Zuckersirup” E150d, Zuckercoleur E150c, Zuckercoleur E150c, Zuckercoleur
Antioxidationsmittel keines keines Ascorbinsäure (E300, Vitamin C) keines
Alkoholgehalt “alkoholfrei”, d.h. <0.5% nicht deklariert, <1.2% nicht deklariert, <1.2% ca. 0.16 Vol.-%
andere Inhaltstoffe Glucose-Fructose-Sirup      

Haltbarkeit

Die hergestellten Essenzen und Sirups sind bei mir daheim bislang gut haltbar und zeigen nach 3 Monaten noch keine Anzeichen von Schimmel oder anderen Verfall. Die alkoholischen Essenzen enthalten ca. 40 Vol.-% Alkohol, was anscheinend bereits eine gewisse Haltbarkeit erzeugt.

Für Sirup sind hauptsächlich zwei Punkte relevant:

  1. Der pH-Wert sollte zumindest unter 4.0 liegen, da hierdurch das Wachstum und die Vermehrung von vielen Mikroorganismen stark gehemmt wird. Es sollte also eine gewisse Mindestmenge an Säure vorhanden sein.
  2. Ein hoher Zuckergehalt (>60 Gewichts-%) hindert Mikroorganismen am Wachstum, da die Zuckerlösung den Mikroorganismen Wasser entzieht und sie so am Wachstum hindert. (durch Osmose)

Für eine gesteigerte Haltbarkeit kann ein kleiner Teil (ca. 1/10) der Zitronensäure auch durch Ascorbinsäure (Vitamin C, E300) ersetzt werden. Diese fungiert als Antioxidationsmittel und beugt so einem Verfall vor. LaMate von REWE benutzt beispielsweise diese Option.

Für Aromaessenzen und ätherische Öle gilt grundsätzlich, dass diese vor Licht geschützt werden müssen. Insb. UV-Strahlung aus Tageslicht kann die empfindlichen Stoffe zersetzen und so verfallen lassen. Meine Flaschen sind in einer Eurobox vor Licht geschützt und werden dunkel gelagert. Ebenso können Aufbewahrungsflaschen aus Braunglas benutzt werden, um den Inhalt vor Licht (insb. UV) zu schützen.

Alternative Extraktionsmethoden

Diese Untersuchungen wurden erst nach dem DLC3-Talk durchgeführt.

Neben der Perkolation existieren noch andere Vorgehensweisen, um Extrakte aus Pflanzen zu gewinnen. Beispielsweise Extraktion per Ultraschallprozessor oder Soxhlet-Extraktion. Im Labor lassen sich diese Methoden vergleichen.

Zunächst die Referenz: Perkolation. Aus 100g gemahlener Yerba-Mate sind gemäß der oben beschriebenen Methodik ca. 130ml Extrakt entstanden, in dem insg. 84mg/ml gelöste Stoffe enthalten waren. Insg. wurden aus den 100g Yerba Mate also 130ml * 84mg/ml = 10.92g lösliche Stoffe extrahiert. Dies entspricht einer Ausbeute von 10.9%. vom Rohmaterial. Von den benötigten 300ml Wodka wurden nur 130ml als Extrakt aufgefangen, was einem Verlust von 56.6% entspricht. Eine große Menge der löslichen Stoffe ist wahrscheinlich im Wodka in der feuchten Yerba Mate zurückgeblieben. Theoretisch könnte diese noch ausgepresst und gefiltert werden um den Verlust zu verringern.

Als nächstes die Extraktion per Ultraschall: Es wurden 52.55g gemahlene und gesiebte Yerba Mate in ein Becherglas gegeben, die Mate mit 400ml Wodka versetzt und unter einem 50 Watt Ultraschallprozessor positioniert (Hielscher UP50H mit MS7-Spitze). Das Gefäß wurde 2 Stunden lang mit 30kHz beschallt. Der Extrakt ist anschließend massivst von feinen Pflanzenresten durchsetzt und muss filtriert werden. Da das Material sehr fein und matschig ist, wurde eine Vakuumfiltration über einer Filterfritte der Porosität 1 durchgeführt. Es wurden hierbei ca. 210ml Extrakt mit einer Konzentration von 42.6mg/ml aufgefangen (gemessen per Dichte/Aräometer, rho = 0.9778g/cm³). Der Extrakt hat im Vergleich zur Perkolation eine geringere Konzentration, allerdings wurde eine insg. größere Menge aufgefangen. Der Verlust des Wodka liegt hier bei 47.5%. Bei 210ml mit 42.6mg wurden insg. 8.94g lösliche Stoffe in den Extrakt überführt, was einem Extraktionsgrad von 8.94g/52.55g = 17% entspricht. Wer also zufälligerweise einen Ultraschallprozessor und Gerätschaften für Vakuumfiltration daheim hat, kann mit entsprechend höherem Aufwand eine vollständigere Extraktion aus dem Rohmaterial erreichen.

Die Ultraschall-Extraktion

Vakuumfiltration

Zuletzt die Soxhlet-Extraktion: Theoretisch sollte diese Methode in der Lage sein sämtliche löslichen Stoffe aus der Mate zu extrahieren. Praktisch ist aber festzuhalten, dass es Probleme gibt, da der Extrakt beim Sieden massiv zu schäumen beginnt und der Schaum entsprechend auch in die Extraktionshülse vordringen kann, sofern die Extraktionsgeschwindigkeit nicht stark begrenzt wird. Der mir zur Verfügung stehende Soxhlet-Aufsatz fasst lediglich 30ml in der Extraktionshülse, sodass er nur mit 10.13g Yerba Mate befüllt werden konnte. Der Auffangkolben wurde mit 150ml Wodka befüllt. Nun wurde durch den Soxhlet refluxiert, bis der Extrakt aus der Hülse farblos geworden ist. Dies ist nach ca. 3 Stunden erreicht worden. Der Extrakt im Auffangbehälter ist sehr trübe und enthält sichtbar viele Schwebeteilchen. Der Extrakt wird daher mittels Vakuumfiltration durch eine Filterfritte der Porosität 4 gesogen. Anschließend ist der Extrakt klar. Es sind insg. 128ml Extrakt mit der Konzentration 36.1mg/ml aufgefangen worden (rho = 0.9713g/cm³). Das ist ein Verlust von nur 14.6% des eingesetzten Wodka. Insgesamt sind damit 128ml * 36.1mg/ml = 4.6g an gelösten Stoffen im Extrakt vorhanden. Dies entspricht einem Extraktionsgrad von 45%. Da die Extraktion im Soxhlet vollständig abgelaufen ist, sollte dies auch die Größenordnung des maximal erreichbaren Extraktionsgrad sein.

Der komplette Soxhlet-Extraktor

Detail des Extraktors

Der Extrakt im Auffangkolben neigt stark zum Schäumen

  Perkolation Ultraschall Soxhlet
Extrakt Konzentration 84mg/ml 42.6mg/ml 36.1mg/ml
Wodka-Verlust 56.6% 47.5% 14.6%
Extrakt-Ausbeute 10.9% 17% 45%

Die Perkolation erreicht bei dem im Vergleich geringsten Materialaufwand den Extrakt mit der höchsten nativen Konzentration, aber dem geringsten Gesamt-Extraktionsgrad. Wer über mehr Laborequipment verfügt, kann durch Ultraschallprozessoren den Extraktionsgrad erhöhen. Würde die Schaumbildung des Mate-Extrakt beim Sieden im Soxhlet-Extraktor unter Kontrolle bleiben oder verhindert werden, so kann mit dem Soxhlet-Verfahren die höchste Ausbeute aus dem Rohmaterial erreicht werden.

Referenzen und Quellen

Die in Fettschrift markierten Quellen von Darcy O’Neil (englischsprachig) sind besonders für Einsteigende in die Limonadenherstellung geeignet. Sie enthalten Basisinformationen und Grundlagenwissen.

Darcy S. O’Neil - allgemeines Vorgehen zur Aromaformulierung https://youtu.be/FSL6pVrV8Pw

GRAS Liste - “Generally Recognized as Safe” https://www.femaflavor.org/sites/default/files/3.%20GRAS%20Substances(2001-3124)_0.pdf

Glenn and Friends Cooking - DIY Squozen Cola Recipe https://www.youtube.com/watch?v=KWaNiwcQK2M

OpenCola Recipe https://web.archive.org/web/20010218075323/http://www.opencola.com/download/3_softdrink/formula.shtml

Cube Cola https://cube-cola.org/

Art of Drink - YouTube Channel https://www.youtube.com/c/artofdrink

Darcy S. O’Neil - Fix the pumps (komplettes eBook über Geschichte der Softdrinks, Methodiken und Rezepturen, PDF) https://www.artofdrink.com/Fix-the-Pumps-2019.pdf

Darcy S. O’Neil - Extraktion durch Perkolation, allgemeine Erläuterung https://www.youtube.com/watch?v=EvkbCkg9bPs

Darcy S. O’Neil - Website, Blog https://www.artofdrink.com/

EU-Aromaverordnung https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=uriserv:OJ.L_.2008.354.01.0034.01.DEU

EU-Verordnung über Lebensmittelinhaltsstoffdeklaration (z.B. Alkoholgehalt) https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:304:0018:0063:en:PDF

EU-Vorschriften zur Deklaration von Lebensmittelzusatzstoffen https://europa.eu/youreurope/business/product-requirements/food-labelling/additives/index_de.htm